Auswertung des Bundestags-Wahl-O-Mats 2017 zu einer Parteienlandkarte

Jeder kennt von euch sicherlich den Wahl-O-Mat. Man bekundet seine Zustimmung oder Ablehnung gegenüber verschiedenen Thesen. Das machen auch die Parteien, die sich zur Bundestagswahl stellen. Und daran, wie ähnlich oder unähnlich die eigenen Antworten zu den Antworten der Parteien sind, kriegt man dann Parteien zur Wahl empfohlen.

Das ermöglicht aber auch, die Antworten aller Parteien abzusaugen und gegeneinander auszuwerten. Heraus kommt die folgende Landkarte. Ähnliche Parteien sind miteinander verbunden. Je ähnlicher, desto stärker sind sie verbunden, und desto näher liegen sie beieinander.

Und siehe da, die politischen Richtungen von Links nach Rechts haben sich ganz von alleine ungefähr herauskristallisiert (ich musste die Karte nur noch drehen, so dass Links auch Links und Rechts Rechts ist). Siehe hierzu aber auch einen Edit am Schluss.

Ihr könnt den Graph nutzen, um jetzt auch die kleineren Parteien zu verorten, von deren Existenz ihr vielleicht noch gar nichts wusstet. Interessant ist auch, dass man deutlich sieht, wie sich eine sehr stark verbundene, weil sehr homogene Gruppe aus anscheinend linken Parteien herauskristallisiert hat.

Bild klicken zum Vergrößern. Die Größe der Parteien ist übrigens proportional zu deren Umfragewerten zum Erstellzeitpunkt des Artikels, wobei ich die Kleinstparteien aber hart auf 2% gesetzt habe, damit man die besser sieht.

Im Rest des Artikels findet ihr ein paar Informationen zur Methodik und warum die Landkarte mit Vorsicht zu genießen ist.

Edit: Es gibt mittlerweile einen zweiten Teil der Wahl-O-Mat-Auswertung, und zwar hier.

Methodik

Datenquelle

Vielleicht mal als erstes: Die Daten findet ihr hier. Das ist im Grunde eine Exceltabelle. Danke fürs Einsenden – der Einsender möchte ungenannt bleiben.

Das ist im Grunde eine Exceltabelle, jedes Sheet ist für eine Partei. In der ganz linken Spalte einers jeden Sheets findet ihr das Abstimmungsverhalten der jeweiligen Partei. Das ist alles, was wir für unseren Graphen brauchen.

Berechnung

Ich berechne nun für jedes Parteipaar die Übereinstimmung, genau so, wie es auch der Wahl-O-Mat macht. Stimmt die Antwort zu einer These überein (beide positiv oder beide negativ) gibt es zwei Punkte. Bei „halber Übereinstimmung“ (eine neutral, die andere positiv/negativ) gibt es einen Punkt. Und bei gegensätzlichen Meinungen Null Punkte. Wir erhalten also für jedes Parteipaar eine potentielle Verbindung mit einem Übereinstimmungswert zwischen 0% und 100%, ganz wie wenn ihr den Wahl-O-Mat selbst ausführt.

Von diesen potentiellen Verbindungen habe ich die stärkere Hälfte dann zu tatsächlichen Verbindungen gemacht. Die Hälfte der Verbindungen war größer als 56% und alle die sind drin. Je stärker eine Verbindung, desto dicker ist sie im Bild gemalt. Solche starken Verbindungen ziehen die verbundenen Parteien auch näher zueinander. Parteien, die nahe beieinander sind, sind also verwandt aus Sicht der Beantwortung der Wahl-O-Mat-Thesen.

Hier könnt ihr übrigens eine Aufschlüsselung der Parteien sehen. Die CSU ist bei der CDU mit drin.

Parteiengruppen

Es haben sich verschiedene Parteiengruppen herausgebildet. Vielleicht als erstes mal die vier Ausreißer: Die DM, die Grauen, die Volksabstimmung und die Gesundheitsforschung waren kaum einzuordnen. Insbesondere die Gesundheitsforschung hat einfach bei allem „neutral“ angekreuzt (klassische Ein-Themen-Partei). Deswegen sind die auch nicht Bestandteil eines Clusters.

Es gibt übrigens tatsächlich eine Tierschutzallianz und eine Tierschutzpartei. Da musste ich spontan an das Leben des Brian denken. Volksfront von Judäa? Nein, Judäische Volksfront!

Wie oben schon erwähnt besteht der mit großem Abstand größte und am Cluster anscheinend aus eher linken Parteien um die Grünen und die Linken. Die Verwandtschaftsdichte ist dort auch am stärksten, beachtet die dicken Verbindungen. Wir war nicht bewusst, dass es so viele davon gibt. Vielleicht ist das aber auch nicht so. Auf der anderen Seite könnte es auch sein, dass die Bundeszentrale für politische Bildung hier voreingenommen war und primär linke Herzensthemen in die Thesen mit aufgenommen hat. Kann ich aus den Daten nicht ablesen. Die „rechte Grenze“ dieses Knubbels bilden die Tierschutzallianz und die ÖDP.

Weil es so viele davon gibt, ist die parteiliche Mitte um SPD und CDU hier etwas nach rechts verschoben. Zu denen kann man auch die ADD und die Freien Wähler zählen. Interessanterweise ist die CDU/CSU recht dünn verbunden, obwohl sie eine Partei der Mitte ist. Die scheinen sich also doch noch irgendwie von den anderen abzugrenzen, obwohl es ihnen fern liegt, irgendwelchen Wahlkampf zu betreiben.

Mitte-Rechts / Liberal ist alles um die FDP. Hierzu kann man wiederum die freien Wahler und die Bayernpartei zählen. Die Bayernpartei scheint Verwandt mit der AfD, und von dort geht es wiederum weiter zur NPD und „die Rechte“.

Vorsichtig ...

… seid ihr bitte, wenn ihr aus dem Graphen allzugroße Schlüsse ziehen wollt. Es ist zwar ziemlich cool, das sich nahtlos die politischen Richtungen rausgebildet haben, aber dennoch fußt das ganze mathematisch auf der Grundlage der Thesen, die die Bundeszentrale für Politische Bildung aufgestellt hat. Hier kann durchaus ein Bias herkommen. Wenn die Thesen irgendwelche schieflage haben, ist die hier eben auch drin.

Edit, weil die Frage jetzt mehrmals kam: Das stimmt natürlich nur ungefähr! Am Ende zählt natürlich nicht, wie weit rechts oder links eine Partei im Bild ist, sondern im Graphen! Das ist bei manchen kleinen Parteien wichtig. Von den Rechtsextremen muss man (abgesehen von ein paar dünnen Kanten zu irgendwelchen Kleinstparteien) über die AfD laufen, um zur Mitte zu kommen. Daraus kann man schließen dass die rechter sind als die AfD. Die sind nur deswegen nicht weiter rechts im Bild, weil der Graph da aufgrund ein paar Streukanten nach oben gebogen ist.

Für mich wäre es interessant zu sehen, wie die Parteien heute auf die Thesen von 2003 oder so antworten würden. Dann könnte man sehen, ob sich einzelne Parteien nach rechts oder links bewegen. Edit: Beachtet hierzu dein Link in der Kommentarsection, da hat jemand einen Artikel verlinkt, der die Drift der Parteien im Politischen Feld angibt.

Comments

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Da ich gerade ziemlich viel manuellen Spam aus Russland und Pakistan bekomme und keine Zeit habe, da wirksam gegen anzugehen, ist die Kommentarfunktion bis auf weiteres abgeschaltet. Wenn's pressiert, mailt mir!

Drift der Parteien im Spektrum? Bitteschön: https://fivethirtyeight.com/features/six-charts-to-help-americans-understand-the-upcoming-german-election/

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Marcus
| 2017/09/04 15:51 | reply

Sehr interessante Idee. Allerdings muss ich ganz unbescheiden darauf hinweisen, dass ich solche Auswertungen schon vor vielen Jahren in meinem Blog gemacht habe:

https://asmaier.blogspot.de/2014/05/europawahl-2014-interessante.html https://asmaier.blogspot.de/2013/09/bundestagswahl-2013-interessante.html https://asmaier.blogspot.de/2013/08/landtagswahl-in-bayern-2013.html https://asmaier.blogspot.de/2011/09/berlin-wahl-2011-interessante.html

Leider musste ich damit aufhören, da der Wahl-O-Mat und die Rohdaten dazu für die Wahlen der letzten Zeit nicht mehr als zip-Archiv vom bpb zur Verfügung gestellt wurden (auch nicht auf meine Nachfrage). Mich würde daher interessieren, wie sie an die Daten gekommen sind? Wurden sie sie manuell abgetippt?

2 | | 2017/09/24 16:52 | reply

Welch eine Ehre für die FAZ, dass sich Protagonisten wie David Kriesel dazu herablassen, für dieses „Blatt“ zu schreiben. Ist es Zufall, dass die FAZ Redaktion die Veröffentlichung des Artikels verpatzt hat? Ich bin der Meinung, es ist kein „Zufall“, sondern der Ausdruck eines Konflikts, der entstehen muss, wenn Verlogenheit auf Wahrheitsliebe trifft. Dieser Konflikt findet sich natürlich nicht im Artikel wieder - der von mir beschriebene Konflikt liegt in dem Wesen der FAZ und der Person David Kriesel begründet. Es ist ein großer Konflikt, der die Menschheit in dieser Übergangszeit beschäftigen wird und der sich - meiner Meinung nach - in ebenfalls in anderen „Dingen“ ausdrückt. Jedenfalls müssen die „Zeitschriften“ einiges tun, um ihren Untergang aufzuhalten. RIP

3 |
Uwe K.W.
| 2017/09/24 18:45 | reply

Interessante Auswertung! Hast Du es auch mit PCA versucht anstatt dem Clustering? Also, für jede Frage eine Dimension, für ja +1, für neutral 0, für nein -1. Das ergibt 38 Dimensionen, diese dann mit PCA (oder vielleicht kPCA) auf 2D projizieren. Die erste Hauptkomponente wird wohl das klassische links-rechts sein, aber die zweite? Wäre interessant zu sehen.

4 |
Marton
| 2017/09/24 22:22 | reply

@Marton: Gabs auf Reddit, ist nix bei rumgekommen, die erste Komponente enthielt irgendwie schon nur 30% der Varianz…

5 |
David Kriesel
| 2017/09/24 22:25 | reply

@Andreas: Wir sind mit https://wahlometer.watch/ gerade dabei, alle Daten sämtlicher Wahl-O-Maten aus allen Jahren zusammenzuführen und zu vereinheitlichen. Es gibt schon ein Gesamt-JSON, in dem alles Roh vorliegt, von einem Teil der Daten haben wir die Parteien schon vereinheitlicht und eine manuelle grobe Kategorisierung vorgenommen.

6 | | 2017/09/25 08:38 | reply

Das Schlimme am Wahl-O-Mat ist, dass die entscheidenden Fragen der AfD garnicht abgefragt wurden. Kein Wunder, dieses Computerspiel diente ja nur der reGierung (und vielleicht noch den lobbyverseuchten „etablierten“ Parteien) als Stimmenfang. Die viel beschworene politische Korrektheit wurde gegenüber der AfD gezielt nicht angewendet. Entscheidende Punkte bei dieser Pasrtei (und nur dieser Partei) wären: die Haushaltsabgabe und Volksabstimmungen. Diese zwei Fragen siehe http://www.polpro.de/mm17.html#bts2 und http://www.polpro.de/fragen-i.html dort die Fragen 1 + 3

Es gab 6 Parteien die echte Aussicht auf das Parlament hatten. Also ca. 6 Fragen die speziell jede Partei betreffen. Aber so genau wollte man ja nun (aus guten Gründen) auch nicht sein. Der Wahl-O-Mat war nur ein Wahlkampfinstrument. Die Fragen wurden nachweislich von linken Kids aufgestellt, nicht von einer repräsentativen Bevölkerungsgruppe. Siehe

http://www.geolitico.de/2017/09/11/wahl-o-mat-von-vater-staat/#comment-16862

aber auch in Form von Satire

https://qpress.de/2017/09/07/wahl-o-mat-gehackt-grosse-gefahr-fuer-die-scheindemokratie/

Die Auswertung des Wahl-O-Mat ist Zeitverschwendung. Jedenfalls nach den Gesetzen der Dummheit auf

http://www.polpro.de/dumm.html

7 | | 2017/09/25 20:27 | reply

Danke für die Visualisierungen!

Hier ein paar Überlegungen zum »Cluster« der Parteien mit linken Grundpositionen:

https://glitzerkollektiv.de/2017/09/23/bundestagswahl-2017-positionen-von-glitzerkollektiv-de-zu-den-wahl-o-mat-thesen/#inhalte-menschen-werkzeuge

8 | | 2017/10/03 16:30 | reply